Wegzugsbesteuerung beim Umzug ins Ausland
Die Wegzugsbesteuerung ist ein wichtiger Punkt, den Sie beim Umzug ins Ausland nicht übersehen sollten. Stellen Sie sich vor, Sie erfüllen sich Ihren Auslandstraum und planen, aus Deutschland wegzuziehen. Alles scheint perfekt – die neue Umgebung, spannende berufliche Möglichkeiten, das große Abenteuer. Doch vergessen Sie beim Wegzug eine Sache nicht: die Steuern! In diesem Artikel erfahren Sie alles, was Sie zur Wegzugssteuer wissen müssen, um unangenehme finanzielle Überraschungen zu vermeiden und Ihren Umzug reibungslos zu gestalten.
Inhaltsverzeichnis:
1. Was versteht man unter Wegzugsbesteuerung?
2. Für wen gilt die Wegzugsbesteuerung?
3. Wie hoch ist die Wegzugsbesteuerung?
4. Beispielrechnung für die Wegzugsbesteuerung
5. Wichtige Regelungen bei der Wegzugsbesteuerung
6. Können Sie eine Wegzugsbesteuerung vermeiden?
7. Aktuelle Entwicklungen zur Wegzugsbesteuerung
8. Ihre Checkliste zur Wegzugsbesteuerung
9. Fazit: Rechtliche Beratung bei Wegzugsbesteuerung lohnt sich
1. Was versteht man unter Wegzugsbesteuerung?
Die Wegzugsbesteuerung ist eine wichtige steuerliche Regelung in Deutschland, die jeden betrifft, der ins Ausland zieht und dabei wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland behält. Sie betrifft private Personen, die Anteile an Kapitalgesellschaften halten und ihren steuerlichen Wohnsitz von Deutschland in ein anderes Land verlegen.
Zur gesetzlichen Grundlage der Wegzugssteuer
Die Wegzugsbesteuerung basiert auf § 6 des Außensteuergesetzes (AStG). Diese Regelung stellt sicher, dass Gewinne und Wertsteigerungen, die während der Zeit der deutschen Steuerpflicht entstanden sind, auch in Deutschland versteuert werden. Dies gilt insbesondere, wenn der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt.
Wozu gibt es die Wegzugsbesteuerung?
Die Wegzugsbesteuerung soll verhindern, dass Personen durch einen Wegzug ins Ausland steuerliche Vorteile erlangen und stille Reserven am Fiskus vorbeilaufen. Wie andere Steuergesetze – z. B. die globale Mindeststeuer – zieht sie auf den Sinn der Steuergerechtigkeit ab. Zusammengefasst gibt es folgende weitere Gründe:
-
-
- Vermeidung von Steuerflucht: Die Wegzugsbesteuerung soll sicherstellen, dass die Wertsteigerungen von Kapitalbeteiligungen in Deutschland versteuert werden, bevor der Steuerpflichtige ins Ausland zieht.
- Sicherung des deutschen Steueraufkommens: Während der Zeit der deutschen Steuerpflicht können erhebliche stille Reserven in Vermögenswerten aufgebaut werden. Diese Art von Besteuerung soll dafür sorgen, dass diese Wertsteigerungen auch dann in Deutschland besteuert werden, wenn sie erst nach dem Wegzug realisiert werden.
- Erhaltung der Steuerbasis: Die Wegzugsbesteuerung soll dazu beitragen, die Steuerbasis in Deutschland zu erhalten. Durch die Sicherstellung, dass stille Reserven vor einem Wegzug versteuert werden, erhofft sich der Fiskus die steuerliche Bemessungsgrundlage in Deutschland zu erhalten.
-
2. Für wen gilt die Wegzugsbesteuerung?
Nicht alle Personen, die aus Deutschland wegziehen, müssen eine Wegzugssteuer zahlen. Betroffen sind (Stand Juli 2024) uneingeschränkt steuerpflichtige Personen in Deutschland, die mindestens 1 % Anteile an einer inländischen oder ausländischen Kapitalgesellschaft besitzen – dazu zählen z. B. GmbHs oder AGs – und ihren Wohnsitz permanent ins Ausland verlegen wollen. Ob der Umzug in ein EU-Land oder einen Drittstaat erfolgt, ist nicht mehr relevant. Außerdem müssen die Personen innerhalb der letzten 12 Jahre, mindestens 7 Jahre davon, uneingeschränkt steuerpflichtig gewesen sein.
Aufgepasst: Nicht verwechseln mit der „Exit Tax“
Oft wird die Wegzugssteuer mit der „Exit Tax“ verwechselt. Diese Steuer fällt allerdings nur an, wenn ein deutsches Unternehmen ins Ausland verlagert wird und umzieht. Betroffen sind somit Unternehmen oder selbstständige Personen. Hier werden nicht die privaten Reserven und Anteile an Kapitalgesellschaften besteuert, sondern das Betriebsvermögen. Daneben ist die rechtliche Grundlage nicht im Außensteuergesetz zu finden, sondern im Einkommenssteuergesetz.
3. Wie hoch ist die Wegzugsbesteuerung?
Wie hoch die Wegzugsbesteuerung für die jeweilige Person ausfällt, wird anhand eines fiktiven Veräußerungsgewinnes seiner Anteile an Kapitalgesellschaften errechnet. Dieser Veräußerungsgewinn wird als fiktiv bezeichnet, da die Person ihre Anteile nicht verkauft, sondern diese nur als Berechnungsgrundlage dienen. Als fiktives Veräußerungsdatum dient der Tag vor dem Wegzug. Folgende Schritte sind bei der Berechnung von Bedeutung:
-
-
- Ermittlung des fiktiven Veräußerungsgewinns: Der zu versteuernde Betrag basiert auf der Differenz zwischen dem aktuellen Marktwert der Kapitalanteile einer Person und den ursprünglichen Anschaffungskosten der Anteile.
- Persönlichen Steuersatz beachten: Der fiktive Veräußerungsgewinn wird mit dem individuellen Einkommenssteuersatz der jeweiligen Person versteuert.
- Begünstigungen berücksichtigen: In bestimmten Fällen kann die Steuerlast auf sieben Jahresraten aufgeteilt und als befristete Zahlungserleichterung eingesetzt werden.
- Zusätzliche Steuern beachten: Außerdem können noch zusätzliche Steuern wie der Solidaritätszuschlag oder die Kirchensteuer anfallen.
-
4. Beispielrechnung für die Wegzugsbesteuerung
Angenommen, Sie besitzen Anteile an einer GmbH mit dem aktuellen Marktwert von 500.000 €. Erworben haben Sie diese Anteile jedoch für 200.000 €. So beträgt der fiktive Veräußerungsgewinn 300.000 €. Auf diesen Gewinn kommt ein angenommener Einkommenssteuersatz von 30 %. Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag fallen nicht an. Die Steuerlast beim Wegzug beträgt so 90.000 €. Die Summe der Wegzugssteuer kann nach angenommener Beantragung in bis zu sieben Jahresraten unterteilt werden. Damit ergibt sich eine Rate von rund 12.857 €.
Anschaffungskosten der Anteile | 200.000 € |
---|---|
Geschätzter aktueller Marktwert | 500.000 € |
Fiktiver Veräußerungsgewinn | 300.000 € |
Angenommener Einkommenssteuersatz | 30 % |
Steuerlast | 300.000 € * 0,3 = 90.000 € |
Bewilligte Zahlung in 7 Jahresraten | rund 12.857 € pro Rate |
Für eine genauere Gewinnschätzung lohnt sich ein Gutachten
Wenn der Veräußerungsgewinn allein vom Finanzamt berechnet wird, kann es schnell passieren, dass dieser zu hoch angesetzt ist. Denn bei der Berechnung des aktuellen Marktwertes der Kapitalanteile werden oft keine Faktoren wie Marktklima oder Verschuldung einbezogen. Hier kann es sich lohnen, einen externen Gutachter zu beauftragen, um die Schätzung des fiktiven Veräußerungsgewinns genauer zu gestalten.
Wussten Sie bereits? Der allgemeine Anspruch auf Stundungen besteht nicht mehr
Seit der Gesetzesänderung am 1. Januar 2022 gibt es bei einem Umzug ins EU-Ausland oder den EU-Wirtschaftsraum keinen allgemeinen Anspruch mehr auf Stundungen der Wegzugssteuer. So kann die Steuerlast nicht mehr auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden, ohne dass weitere Kosten hinzukommen. Ab diesem Zeitpunkt werden alle Fälle der Wegzugsbesteuerung gleichbehandelt, egal ob der Umzug ins EU-Ausland oder in Drittstaaten stattfindet.
5. Wichtige Regelungen bei der Wegzugsbesteuerung
Wer weniger als 1 % an Anteilen von Kapitalgesellschaften hält, muss keine Wegzugssteuer zahlen. Auch wer nicht sieben Jahre uneingeschränkt steuerpflichtig in Deutschland war, ist von der Besteuerung ausgenommen. Ein häufig genutzter Weg von Unternehmern ist daneben die Umwandlung der Kapitalgesellschaft (GmbH, AG, UG) in eine Personengesellschaft. Dieser Vorgang ist jedoch komplex und nicht einfach umzusetzen. Wer jedoch plant, nicht dauerhaft ins Ausland zu ziehen, kann das dem Finanzamt mitteilen. Ein Auslandsaufenthalt von unter sieben Jahren zählt als temporär. So kann die Wegzugssteuer unter Umständen „vermieden“ werden.
6. Können Sie eine Wegzugsbesteuerung vermeiden?
Die Wegzugssteuer komplett zu vermeiden ist schwer, jedoch ist die Länge des Aufenthalts im Ausland ein wichtiger Punkt, der gut dokumentiert werden sollte. Von der Besteuerung ausgenommen sind nämlich Personen, die innerhalb von sieben Jahren eine Rückkehr nach Deutschland anstreben. Diese Rückkehr muss dem Finanzamt allerdings glaubhaft vermittelt werden. Auf Antrag kann dieser Zeitraum auch von sieben auf zwölf Jahre verlängert werden. Zwar muss dann die Wegzugssteuer in den meisten Fällen zuerst gezahlt werden, jedoch kann diese unter bestimmten Umständen nach einer Rückkehr zurückerstattet werden. Aber es ist darauf zu achten, dass in diesem Zeitraum keine Kapitalgesellschaftsanteile verkauft werden dürfen.
Sie sind sich unsicher, ob Sie von der Wegzugsbesteuerung betroffen sind?
Gerne helfen wir Ihnen weiter. Nehmen Sie gleich mit uns Kontakt auf!
7. Aktuelle Entwicklungen zur Wegzugsbesteuerung
Ein Urteil des Bundesfinanzhofes (kurz: BFH) vom 6. September 2023 könnte die bestehende Gesetzeslage zur Wegzugsbesteuerung nochmals ändern. Seit dem 1. Januar 2022 gibt es eigentlich keinen Anspruch mehr auf Stundungen der Wegzugssteuerlast beim Umzug in andere EU-Staaten oder Staaten des EU-Wirtschaftsraumes. Mit dem veröffentlichten Einzelfallurteil betont die Institution, dass beim Wegzug in die Schweiz die Wegzugssteuer dauerhaft und zinslos zu stunden sei, bis die Anteile tatsächlich verkauft werden. So sieht sich das Urteil mit dem EU-Recht konform. Ob damit nun das deutsche Recht im „AStG“ geändert oder angepasst werden muss, bleibt abzuwarten.
8. Ihre Checkliste zur Wegzugsbesteuerung
Die folgende Checkliste soll Ihnen helfen, alle wichtigen Aspekte der Wegzugssteuer zu berücksichtigen und sicherzustellen, dass Sie nichts vergessen:
-
-
- Prüfen Sie Ihre Steuerpflicht in Deutschland: Stellen Sie fest, ob Sie mindestens sieben Jahre unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland sind und Beteiligungen an Kapitalgesellschaften von mindestens 1 % besitzen.
- Ermitteln Sie den fiktiven Veräußerungsgewinn: Lassen Sie den aktuellen Wert Ihrer Anteile an Kapitalgesellschaften schätzen und vergleichen Sie diesen mit den Anschaffungskosten Ihrer Anteile. Berechnen Sie den Unterschied zwischen dem aktuellen Wert und den Anschaffungskosten, um den fiktiven Veräußerungsgewinn zu ermitteln.
- Nutzen Sie etwaige Steuerbegünstigungen: Informieren Sie sich über mögliche Steuerbegünstigungen, wie die Zahlung in sieben Jahresraten gegen eine Sicherheitsleistung.
- Beachten Sie den persönlichen Steuersatz und die Steuerlast: Ermitteln Sie Ihren persönlichen Einkommenssteuersatz und berechnen Sie die voraussichtliche Steuerlast basierend auf dem fiktiven Veräußerungsgewinn.
- Berücksichtigen Sie das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA): Prüfen Sie, ob es ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und dem Zielland gibt. Nutzen Sie das DBA, um Doppelbesteuerung zu vermeiden und steuerliche Vorteile zu nutzen.
- Sichern Sie Dokumentation und Nachweise: Stellen Sie sicher, dass alle relevanten Unterlagen und Nachweise vorliegen, z. B. Bewertungsunterlagen, Anschaffungskosten und Anträge auf Jahresraten.
-
-
-
- Steuerliche Anmeldung im Zielland: Informieren Sie sich über die steuerlichen Verpflichtungen im Zielland und melden Sie sich rechtzeitig beim Finanzamt im neuen Wohnsitzland an.
- Beratung durch Experten: Ziehen Sie einen Steuerberater oder Rechtsanwalt hinzu, um Ihre individuelle Situation zu analysieren und zu optimieren. Nutzen Sie deren Expertise, um Fehler beim AStG zu vermeiden und alle steuerlichen Möglichkeiten auszuschöpfen.
- Beachten Sie alle Fristen: Halten Sie alle Fristen ein, um Strafen und zusätzliche Kosten zu vermeiden.
- Kontinuierliche Überprüfung: Überprüfen Sie regelmäßig Ihre steuerliche Situation, insbesondere bei Änderungen in der Gesetzgebung des AStG. Passen Sie Ihre Steuerstrategie entsprechend an.
-
9. Fazit: Rechtliche Beratung bei Wegzugsbesteuerung lohnt sich
Wer an einen Umzug ins Ausland denkt, Anteile von mindestens 1 % an Kapitalgesellschaften besitzt und seit mehr als 7 Jahren uneingeschränkt steuerpflichtig ist, sollte die Wegzugsbesteuerung nicht aus den Augen verlieren. Ein Blick auf das dazugehörige Außensteuergesetz ist unabdingbar. Wer die anfallende Steuerlast nicht direkt tilgen kann, sollte einen Antrag auf siebenteilige Jahresraten gegen Sicherheitsleistung in Erwägung ziehen.
Ist der Auslandsaufenthalt nicht länger als sieben Jahre geplant, dokumentieren Sie diesen und treten Sie mit dem Finanzamt in Kontakt, um unnötige Kosten zu vermeiden. Zudem ist es hilfreich, den aktuellen Anteilswert bereits vor dem Kontakt mit dem Finanzamt schätzen und sich fachkundig beraten zu lassen. Eine Anwaltskanzlei für Steuerrecht kann hier der richtige Ansprechpartner sein.
Sie haben weitere Fragen zur Wegzugsbesteuerung?
Sie planen einen Umzug und sind unsicher, welche Steuerlast auf Sie zukommen könnte? Dann nehmen Sie jetzt unsere Beratung in Anspruch. Nehmen Sie dazu ganz einfach mit uns Kontakt auf!