Hinterziehungszinsen bei Steuerhinterziehung
Sie haben falsche Angaben bei der Steuererklärung gemacht? Die Finanzbehörde ist Ihnen auf die Schliche gekommen und bezichtigt Sie nun der Steuerhinterziehung? Dann rechnen Sie nicht nur mit juristischen Konsequenzen, sondern auch mit Hinterziehungszinsen. Eine Nachzahlung über die hinterzogenen Steuern wird fällig. Ein Lichtblick: Seit 2015 wird eine Straffreiheit bei einer Selbstanzeige garantiert, wenn die Zahlung innerhalb einer bestimmten Frist getätigt wird. Mit den Hinterziehungszinsen sollen die steuerlichen Vorteile, die sich ein Steuerpflichtiger (un)wissentlich verschafft hat, wieder zunichtegemacht werden.
Inhaltsverzeichnis:
1. Was sind Hinterziehungszinsen?
2. Wie erfahren Betroffene, dass Hinterziehungszinsen anfallen?
3. Muss für einen Hinterziehungszinsbescheid ein Steuerstrafverfahren eingeleitet worden sein?
4. Welchem Zeitraum wird für die Hinterziehungszinsen herangezogen?
5. Wie berechnen sich die Hinterziehungszinsen?
6. Welche Voraussetzungen für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen müssen erfüllt sein?
7. Welche Fristen und welchen Ablauf gibt es beim Festsetzungsverfahren zu beachten?
8. Sind Hinterziehungszinsen steuerlich absetzbar?
Was sind Hinterziehungszinsen?
Neben den bekannten Strafen, die bei einer Steuerhinterziehung anfallen, müssen sich Betroffene zusätzlich mit den sogenannten Hinterziehungszinsen auseinandersetzen. Sie werden nicht nur dazu aufgefordert, die hinterzogenen Steuern nachzuzahlen, sondern auch die entstandenen Zinsen. Unabhängig von einer strafrechtlichen Verfolgung, sind Hinterziehungszinsen immer zu entrichten. Nach §235 der Abgabenordnung (AO) fallen Hinterziehungszinsen auch bei einer Selbstanzeige an.
Um ein Zeichen zu setzen, dass sich Steuerhinterziehung in der Tat nicht lohnt, sind die hinterzogenen Steuern zu verzinsen, die der Schuldner zu begleichen hat. Der Gedanke dahinter: Hinterziehungszinsen sollen den Steuervorteil bzw. das wirtschaftliche Nutzen aufheben.
Wie erfahren Betroffene, dass Hinterziehungszinsen anfallen?
Weist die Finanzbehörde eine Steuerhinterziehung nach, so bildet der Beweis die Grundlage für Hinterziehungszinsen und dem dazugehörigen Zinsbescheid. Betroffene erhalten erst den Bescheid, wenn die Summe der hinterzogenen Steuern und die Festsetzung derer unanfechtbar sind. Ein Zinsbescheid ohne Strafverfahren ist nur mit einem Nachweis der Vorsätzlichkeit gültig. Erscheinen Ihnen die Gründe für einen Zinsbescheid suspekt, so besteht die Möglichkeit innerhalb eines Monats Einspruch zu erheben.
Hinterziehungszinsbescheid nur, wenn Steuerstrafverfahren eingeleitet?
Das Finanzamt muss vor der Zustellung eines Zinsbescheids eine vorsätzliche Steuerhinterziehung zweifelsfrei nachweisen. Achten Sie als Betroffener auf die Formulierungen im Bescheid. Die Beweislast liegt dabei bei der Steuerbehörde: Eine Ausstellung eines Zinsbescheids ist nur möglich, wenn eine tatsächlich begangene Steuerhinterziehung bewiesen wurde. Eine versuchte Hinterziehung, die Beihilfe oder Anstiftung dagegen reichen hierfür nicht aus.
Eine Verzinsung ist aber auch dann möglich, wenn die steuerhinterziehende Person zwischenzeitlich verstorben ist oder wenn eine strafbefreiende Selbstanzeige erfolgreich war. Die Grundlage für die Hinterziehungszinsen bildet hier die Steuerfestsetzung durch das Finanzamt und nicht die Feststellung hinterzogener Steuern durch ein Strafgericht.
Achtung: Ziehen Sie bei einem Zinsbescheid einen Experten hinzu
Manchmal agiert das Finanzamt etwas vorschnell. Zwar ist ein Strafverfahren keine Voraussetzung für den Erhalt eines Hinterziehungszinsbescheids, wohl aber der zweifelsfreie Nachweis der begangenen Steuerhinterziehung. Zinsbescheide können auch ausgestellt werden, wenn der Schuldner bereits verstorben ist. In jedem Fall sollten Sie einen erhaltenen Zinsbescheid durch Experten prüfen lassen!
Welcher Zeitraum wird für die Hinterziehungszinsen herangezogen?
Die Berechnung der Hinterziehungszinsen erfolgt folgendermaßen: Ab dem Zeitpunkt, zu welchem die Steuerverkürzung eingetreten ist, beginnt der Zeitraum, der für die Zinsberechnung herangezogen wird. Meist fällt die Steuerverkürzung mit dem Erhalt oder der Bekanntgabe des Steuerbescheids zusammen.
Haben Sie keine Steuererklärung eingereicht, so wird der Anfangszeitpunkt für die Berechnung der Zinsen mit dem Datum gleichgesetzt, bis zu welchem die Abgabe fällig wäre bzw. wann diese zu bearbeiten gewesen wäre (ordnungsgemäße Abgabe).
Bei der Umsatz- oder der Lohnsteuer berechnet sich der Beginn des Zinszeitraums gemäß dem Ablauf des Voranmeldezeitraums, in dem an die Beiträge hätte melden müssen. Erst mit der vollständigen Bezahlung endet die Berechnungsfrist. Der Fälligkeitstermin der Hinterziehungszinsen stellt den spät möglichsten Beendigungszeitpunkt dar. Zu den Zinsen kommen noch Säumniszuschläge in Höhe von 1 % pro angefangenen Monat.
Was Sie als indirekt Beteiligter einer Steuerhinterziehung wissen müssen!
Unabhängig davon, in welcher Form Sie steuerliche Vorteile durch die Hinterziehung erzielt haben, müssen Sie die Zinsen im jeden Fall zahlen. Auch wenn Sie selbst kein Beteiligter der Steuerhinterziehung waren, sondern davon „nur“ profitiert haben.
Wie berechnen sich die Hinterziehungszinsen?
Zunächst ermittelt das Finanzamt die Höhe des hinterzogenen Steuerbetrags. Dieser Betrag bildet die Grundlage für die Berechnung der Zinsen. Der hinterzogene Steuerbetrag ist die Differenz zwischen der Summe, die tatsächlich an Steuern bezahlt wurde und der Summe, die hätte bezahlt werden müssen.
Diese Differenzsumme multipliziert das Finanzamt mit 0,5% (Zinssatz) für jeden vollen Monat, in dem die Steuerhinterziehung stattgefunden hat.
Die hierfür zu verwendete Formel lautet wie folgt:
Hinterziehungszinsen = Hinterzogener Steuerbetrag x Anzahl der Monate x 0,5 Prozent
Ein Rechen-Beispiel: Hinterziehungszinsen bei Veranlagungssteuern
In der Steuererklärung für das Jahr 2011 wurden vorsätzlich falsche Angaben gemacht. Dadurch wurden die Vorauszahlungen für die nächsten Jahre zu niedrig angesetzt. Am 15.06.2012 erhielt der Betroffene seinen Steuerbescheid und seinen Vorauszahlungsbescheid. Die Beträge waren am 18.07.2012 fällig. Hätte der Betroffene eine korrekte Steuererklärung abgegeben, so wäre die Einkommenssteuer um 10.000 € höher gewesen und es hätte sich ein Solidaritätszuschlag von 550 € ergeben. Die Vorauszahlungen für die Einkommenssteuer für das 3. und 4. Quartal 2012 wurden aber um 5.000 € Einkommenssteuer und 275 € Solidaritätszuschlag zu niedrig festgesetzt.
In der korrekten Steuererklärung kam man auf einen Betrag von 34.000 € Einkommenssteuer + 1.870 € Solidaritätszuschlag. Der korrekte Steuerbescheid wurde am 14.06.2013 zugestellt. Die Fälligkeit war der 17.07.2013. Daraufhin wurden auch die Vorauszahlungssummen korrigiert. Am 17.07.2013 hat der Betroffene 14.000 € Einkommenssteuer und 770 € Soli-Zuschlag bezahlt. Nun erging auch ein Änderungsbescheid für die Erklärung aus dem Jahr 2011.
Die Fälligkeit der hinterzogenen Steuern war der 17.07.2013. Die Zinsen berechnen sich folgendermaßen: Für das Jahr 2011 beginnt der Zinslauf am 19.07.2012 (ein Tag nach der Fälligkeit). Der Zinslauf für 2011 endet am 17.07.2013, wenn die Summe beglichen wurde. Es werden also 11 Monate für die Berechnung der Zinsen zugrunde gelegt. Auf die oben genannten 10.000 € Einkommenssteuer werden somit 450 € Zinsen fällig sowie 30 € auf den Solidaritätszuschlag. Da sich die fehlerhaften Angaben auch auf die Vorauszahlungen für 2012 auswirkten, werden auch für diese Summen Zinsen fällig. Eine Übereinstimmung der Angaben und Vorauszahlungssummen folgte erst im Jahr 2013.
Welche Voraussetzungen für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen müssen erfüllt sein?
Die strafrechtliche Verurteilung ist keine zwingende Voraussetzung für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen. Dagegen muss aber das Finanzamt stichhaltige Beweise liefern, dass die Hinterziehung mit Vorsatz erfolgt ist. Ob eine Vorsätzlichkeit gegeben ist, können Sie als betroffene Person in ihrem konkreten Fall von einem Spezialisten ermitteln lassen. Ohne ein Steuerverfahren erweist sich der Nachweis über die Vorsätzlichkeit als schwierige Aufgabe für das Finanzamt.
Welche Fristen gibt es beim Festsetzungsverfahren zu beachten?
Mit dem Zinsbescheid durch das Finanzamt erhalten Sie einen Überblick über die festgesetzten Zinsen. Sie können Einspruch oder Klage dagegen erheben. Der Zeitraum der Festsetzungsfrist ist kurz: Das Finanzamt kann nur innerhalb eines Jahres Hinterziehungszinsen festsetzen. Bei Verjährung der Zinsforderung ist das Erheben von Zinsen durch das Finanzamt nicht mehr möglich.
Sind Hinterziehungszinsen steuerlich absetzbar?
Die Zahlung von Hinterziehungszinsen bei Steuerhinterziehung ist unvermeidbar. Aber können diese Aufwendungen als Betriebsausgaben geltend gemacht werden? Die Frage lässt sich mit einem klaren „Nein“ beantworten. Das Einkommensteuergesetz besagt, dass hinterzogene Betriebssteuern als Betriebsausgaben abziehbar sind, dagegen sind Hinterziehungszinsen nicht steuerlich absetzbar.
Achtung: Hinterziehungszinsen sind nicht gleich Nachzahlungszinsen
Fälschlicherweise bezeichnet das Finanzamt die Hinterziehungszinsen als Nachzahlungszinsen. Denn:
Nachzahlungszinsen sind absetzbar (§235a Abs. 4 AO). Bezeichnet das Finanzamt die Zinsen falsch, so können diese steuerlich geltend gemacht werden. Hierzu gibt es eine Rechtsentscheidung (BFH-Urteil v, 10.11.2004). In diesem Fall führt der Fehler nicht dazu, dass der Bescheid nichtig wird, aber aufgrund der falschen Bezeichnung Zinsen rechtswidrig. Prüfen Sie daher immer jedes Wort im Schriftstück.
Welche Kritik gibt es an den Hinterziehungszinsen?
Ab 2014 wurden Zinsen in Höhe von 6 % jährlich auf Steuernachforderungen als verfassungswidrig erklärt. Sie würden dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen widersprechen. Gleichzeitig muss allerdings das Einkommen des Staates gesichert werden und durch dieses Urteil wäre ein großer Teil der Staatseinnahmen weggefallen. So durften die als verfassungswidrig eingestuften Zinsfestsetzungen bis Ende 2018 weitergelten. Seit 2019 darf die bisherige Regelung nun aber nicht mehr angewendet werden.
Für die meisten Personen ist es nicht einleuchtend, wie ein Procedere als verfassungswidrig eingestuft werden und dennoch weitere Jahre fortbestehen kann. Es ist nicht nachzuvollziehen, wie etwas Verfassungswidriges weiterbestehen darf. Noch weniger ist die Argumentation, dass man auf das Geld angewiesen sei (Planungssicherheit der Staats-, Landes- und Gemeindehaushalte), schlüssig oder vernünftig.
Im Umkehrschluss bedeutet dies ja, dass man im wahrsten Sinne des Wortes mit vorsätzlichen Steuerhinterziehern rechnet, damit man genug Staatseinnahmen auch über die Zinsen generieren kann.
Leider hat auch das BVerfG Schwächen. Hoheitsträger werden hier nicht dazu verpflichtet, von sich auch darauf zu achten, dass die von ihnen angewandten Regelungen auch verfassungskonform sind. Sie müssen dies erst dann tun, wenn sich Bürger und Bürgerinnen zur Wehr setzen. Zum 31.12.2022 muss eine Neuregelung geschaffen werden, die verfassungsgemäß ist, zumindest das hat der Gesetzgeber beschlossen. Bis dahin müssen Sie sich mit dem Gedanken anfreunden, auch verfassungswidrige Regelungen hinnehmen zu müssen.
Fazit
Ihnen raucht der Kopf und Sie fühlen sich im Bezeichnungs- und Berechnungswirrwarr verloren? Zusätzlich wollen Sie die Verfassungswidrigkeit der Regelungen nicht so einfach hinnehmen?
Es ist immer ratsam, sich mit Experten zusammenzusetzen, die ihre Sorgen verstehen, sich mit der Materie auskennen und ihnen zum Teil auch die Ängste nehmen können. Die Kanzlei Mauss ist eine auf das Steuerstrafrecht spezialisierte Steuer- und Anwaltskanzlei.
Wir beraten Sie gerne in allen Steuerfragen und stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Mit viel Persönlichkeit, hohen Engagement und umfassender Rechtsexpertise analysieren die Steueranwälte jeden Fall. Wir betrachten die Gesamtsituation, beleuchten die Folgen und erläutern Ihnen die für Sie möglichen Konsequenzen.
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