Verrechnungspreise: Praktische Empfehlungen für steuerliche Konformität

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In der globalisierten Wirtschaftswelt nehmen grenzüberschreitende Transaktionen innerhalb von Unternehmen eine zentrale Rolle ein. Die Preise, die Unternehmer für Waren, Dienstleistungen oder Darlehen untereinander vereinbaren, wirken auf den ersten Blick unkompliziert. Doch was, wenn diese Preise nicht den steuerlichen Vorgaben entsprechen? Für Unternehmer können Verrechnungspreise zu erheblichen Risiken führen. Eine unzureichende Handhabung kann insbesondere zu Nachzahlungen infolge einer Betriebsprüfung führen. Dieser Beitrag beleuchtet die wesentlichen Aspekte von Verträgen und Verrechnungspreisen anhand praxisorientierter Empfehlungen. Ziel ist es, potenzielle Fallstricke aufzuzeigen und Maßnahmen zu erörtern, die eine sichere Gestaltung ermöglichen.
1. Definition und Bedeutung von Verrechnungspreisen
Verrechnungspreise bezeichnen die intern festgelegten Preise, die innerhalb eines international tätigen Unternehmens für den Austausch von Waren, Dienstleistungen oder immateriellen Vermögenswerten zwischen verschiedenen Unternehmenseinheiten, wie Tochtergesellschaften oder Niederlassungen in unterschiedlichen Ländern, vereinbart werden. Im steuerlichen Kontext spielen sie eine zentrale Rolle, da sie die Verteilung von Gewinnen und damit die steuerliche Belastung in unterschiedlichen Ländern direkt beeinflussen. Verrechnungspreise müssen dabei dem Fremdvergleichsprinzip (Arm’s Length Principle) entsprechen, das vorschreibt, dass die Konditionen denen entsprechen müssen, die unabhängige Dritte unter vergleichbaren Bedingungen vereinbaren würden, um eine künstliche Gewinnverlagerung in Niedrigsteuerländer zu verhindern. In Deutschland ist der Fremdvergleichsgrundsatz im Außensteuergesetz (§ 1 AStG) verankert.
Die Bedeutung der Verrechnungspreise liegt nicht nur in der Sicherstellung einer fairen Gewinnzuweisung, sondern auch in der Einhaltung internationaler Vorgaben, wie den OECD-Richtlinien, die eine einheitliche Dokumentation und Nachvollziehbarkeit verlangen. Bei Betriebsprüfungen stellen Verrechnungspreise ein hohes Risiko für Unternehmer dar, da Finanzbehörden weltweit verstärkt die Angemessenheit und Dokumentation dieser Preise prüfen, um Steuervermeidungen aufzudecken. Unzureichende oder fehlerhafte Dokumentationen, nicht marktkonforme Preise oder mangelnde Nachweise können zu erheblichen steuerlichen Nachforderungen sowie zu hohen Zinszahlungen führen. Zudem steigt der Prüfungsaufwand durch die Komplexität globaler Lieferketten und die unterschiedlichen steuerlichen Regelungen in verschiedenen Ländern, was besonders für international tätige Unternehmen die Gefahr von Rechtsstreitigkeiten und finanziellen Belastungen erhöht. Eine sorgfältige Planung und regelmäßige Überprüfung der Verrechnungspreissysteme sind daher essenziell, um diese Risiken zu minimieren.
Beispiel:
Stellen Sie sich vor, diefiktive Müller GmbH mit Sitz in Deutschland, die Autokomponenten herstellt und an ihre Tochtergesellschaft in Polen liefert, einem Land mit niedrigerem Steuersatz. Nehmen wir an, ein bestimmtes Bauteil wird auf dem freien Markt üblicherweise für 100 Euro gehandelt. Die Müller GmbH verkauft dieses Bauteil jedoch an ihre polnische Tochtergesellschaft zu einem Verrechnungspreis von lediglich 40 Euro. Durch diesen niedrigen Preis erzielt die deutsche Muttergesellschaft einen geringeren steuerpflichtigen Gewinn in Deutschland, während die polnische Tochtergesellschaft höhere Gewinne in Polen mit niedrigerer Steuerlast verbucht. Im Rahmen einer Betriebsprüfung könnte die deutsche Finanzbehörde diesen Verrechnungspreis als nicht fremdvergleichskonform gemäß dem Fremdvergleichsprinzip gemäß dem § 1 AStG einstufen. Folglich würde die Finanzbehörde den Gewinn der Müller GmbH um die Differenz von 60 Euro je Bauteil nach oben korrigieren, was zu erheblichen steuerlichen Nachforderungen sowie Zinszahlungen führt. Sollte die Müller GmbH zudem keine ausreichende Dokumentation vorlegen können, die den niedrigen Verrechnungspreis rechtfertigt, könnten zusätzliche Strafen verhängt werden. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie eine nicht marktkonforme Gestaltung von Verrechnungspreisen erhebliche steuerliche und finanzielle Risiken für Unternehmen birgt.
2. Ermittlung von Verrechnungspreisen
Die Festlegung angemessener Verrechnungspreise gestaltet sich als anspruchsvoll, die eine sorgfältige Untersuchung der geschäftlichen Aktivitäten, der Marktbedingungen sowie der Vergleichbarkeit von Transaktionen erfordert. Hierfür existieren verschiedene etablierte Methoden, die jeweils an die spezifischen Anforderungen der Transaktion angepasst werden können:
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- Preisvergleichsmethode (Comparable Uncontrolled Price Method, CUP): Diese Methode setzt den Preis einer unternehmensinternen Transaktion mit dem Preis einer vergleichbaren Transaktion zwischen unabhängigen Unternehmen gleich.
- Wiederverkaufspreismethode (Resale Price Method): Hierbei wird der Preis auf Basis des Verkaufspreises bestimmt, den ein verbundenes Unternehmen an einen unabhängigen Abnehmer erzielt, abzüglich einer angemessenen Gewinnspanne.
- Kostenaufschlagsmethode (Cost Plus Method): Diese Methode ermittelt den Preis auf Grundlage der Herstellungs- oder Dienstleistungskosten einschließlich einer angemessenen Gewinnmarge.
- Gewinnaufteilungsmethode (Profit Split Method): Hierbei wird der Gesamtgewinn einer Transaktion zwischen den beteiligten Unternehmen entsprechend ihrem jeweiligen Beitrag zur Wertschöpfung aufgeteilt.
Die Finanzverwaltung orientiert sich im Rahmen des Festlegung der Verrechnungspreise insbesondere an den BMF-Schreiben vom 12.12.2024 – IV B 3 – S 1341/19/10017 :004, welches konkrete Anforderungen an die Ermittlung und Dokumentation von Verrechnungspreisen enthält. Dieses bietet umfassende Vorgaben, um eine steuerlich konforme und nachvollziehbare Preisbestimmung zu gewährleisten.
3. Gesetzliche Grundlagen der Verrechnungspreisdokumentation
Neben den im BMF-Schreiben vom 14. Juli 2021 festgehaltenen Anforderungen an die Bestimmung der Verrechnungspreise, bilden weitere gesetzliche Vorschriften die rechtliche Grundlage für eine ordnungsgemäße und nachvollziehbare Dokumentation von Verrechnungspreise. Die maßgeblichen Vorschriften zur Verrechnungspreisdokumentation in Deutschland sind wie folgt zusammengefasst:
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- § 1 Außensteuergesetz (AStG): Wie bereits erwähnet, ist der maßgebliche Fremdvergleichsgrundsgrundsatz in § 1 AStG normiert. Diese Vorschrift bestimmt, dass Einkünfte bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zu korrigieren sind, sofern die angewandten Verrechnungspreise nicht mit dem Fremdvergleichsgrundsatz übereinstimmen.
- § 90 Abs. 3 Abgabenordnung (AO): Diese Vorschrift schreibt Steuerpflichtigen vor, eine Dokumentation zu führen, die als Nachweise für die Angemessenheit der Verrechnungspreise dient.
- § 162 AO: Diese Vorschrift befähigt die Finanzbehörden, bei fehlender oder unzureichender Dokumentation eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vorzunehmen.
- § 162 Abs. 4 AO: Dieser Absatz sieht Strafzuschläge bei verspäteter, unvollständiger oder unbrauchbarer Dokumentation vor.
4. Die Bedeutung von Verträgen in der Verrechnungspreispraxis

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Verträge bilden das Rückgrat für eine nachweisbare und steuerlich haltbare Preisgestaltung. Sie sollten alle wesentlichen Bedingungen – wie Leistungsbeschreibung, Preisfindung und Zahlungsmodalitäten – detailliert festhalten. In der Praxis wird empfohlen, Verträge vor Beginn der Transaktion abzuschließen und mit ergänzenden Dokumenten wie Marktanalysen zu untermauern. Dies stärkt die Position gegenüber dem Finanzamt und minimiert das Risiko von Korrekturen im Rahmen einer Betriebsprüfung. Ohne formale Vereinbarungen fehlt es an Transparenz, was zu Nachfragen seitens der Finanzverwaltung führen kann. Die Verwaltungsgrundsätze betonen die Notwendigkeit einer zeitnahen und vollständigen Dokumentation, um den Fremdvergleichsgrundsatz zu erfüllen.
Welche zentrale Bedeutung den vertraglichen Vereinbarungen für die Anerkennung der Verrechnungspreise im Licht des Fremdvergleichgrundsatzes zukommt, zeigt das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12.09.2018 – I R 77/16. Das BFH-Urteil betont, dass unklare oder unbestimmte Verträge eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) auslösen, da sie nicht dem Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gegenüber einem fremden Dritten entsprechen. Konkret habe das Gericht entschieden, dass eine vertragliche Vereinbarung, anhand derer sich weder das „Ob“ noch das „Wie“ bzw. „Wann“ der vertraglichen Leistungserbringung bestimmen lässt, einem steuerrechtlichen Fremdvergleich nicht standhält. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte mit einem fremden Dritten klare Regelungen zu Umfang, Art, Zeitpunkten und Fristen der Leistungen vereinbart, um finanzielle Risiken zu minimieren und die Erfüllung nachvollziehbar zu gestalten. Dies zeigt, dass Verträge nicht nur formale Voraussetzungen erfüllen, sondern auch die tatsächliche Wirtschaftlichkeit der Transaktionen belegen müssen, um Streitigkeiten mit den Steuerbehörden zu vermeiden und die Einhaltung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu gewährleisten.
5. Praktische Empfehlungen zur Umsetzung
Aus der steuerrechtlichen Praxis ergeben sich folgende Handlungsempfehlungen, die eine risikominimierende Gestaltung ermöglichen:
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- Verrechnungspreisdokumentation: Durch das vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) wurden zwar die vorherige strenge Vorlagepflicht der Verrechnungspreisdokumentation abgeschwächt, nach der die vollständige Verrechnugnspreisdokumentation innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanforderung vorzulegen war. Nach der neuen Regelung haben Unternehmer im Falle einer Außenprüfung innerhalb von 30 Tagen lediglich die Transaktionsmatrik, eine Stammdokumentation sowie Aufzeichnungen über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorzulegen. Allerdings steht es der Finanzverwaltung frei, im Rahmen der Außenprüfung eine vollständige Verrechnungspreisdokumentation zu verlangen. Sofern die Verrechnungspreisdokumentationen nicht fristgerecht vorliegt, muss man mit der Festsetzung von Zuschlägen (§ 162 Absatz 4 AO) rechnen.
- Auswahl geeigneter Methoden: Zur Preisfindung stehen Methoden wie beispielsweise die Kostenaufschlagsmethode oder die Wiederverkaufspreismethode zur Verfügung. Eine Kombination interner und externer Vergleiche ist ratsam, unterstützt durch Datenbanken wie Orbis oder Thomson Reuters. Professionelle Beratung gewährleistet die Einhaltung des Fremdvergleichsgrundsatzes
- vertragliche Vereinbarungen: Sorgfältig ausgearbeitete vertragliche Vereinbarungen, die im Vorfeld zwischen verbundenen Unternehmen getroffen wurden, dienen als Nachweis für die Angemessenheit von Verrechnungspreisen. Sie sind essenziell, um mögliche Anpassungen oder Nachzahlungen im Zuge einer Betriebsprüfung zu verhindern.
- Spezielle Regelungen für Finanztransaktionen: Für Finanztransaktionen, insbesondere Darlehen, sind marktkonforme Zinssätze zwingend erforderlich. Das BMF-Schreiben „Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2024“ vom 12. Dezember 2024 bietet hierzu detaillierte Erläuterungen. Durch Vorabklärungen mittels Advance Pricing Agreements (APA) mit den Steuerbehörden lassen sich Unsicherheiten klären und potenzielle Konflikte verhindern.
- Professionelle Beratung: Eine professionelle Beratung bei Verrechnungspreisen ist unvermeidlich, da diese komplexe steuerliche Thematik spezifisches Fachwissen erfordert, um internationale Vorschriften wie die OECD-Richtlinien einzuhalten und kostspielige Fehler oder Sanktionen zu vermeiden. Zudem gewährleistet eine fundierte Beratung die korrekte Dokumentation und Optimierung der Verrechnungspreise, um steuerliche Risiken zu minimieren.
6. Fazit
Verrechnungspreise stellen einen zentralen Bestandteil der steuerlichen und wirtschaftlichen Gestaltung international tätiger Unternehmen dar. Sie beeinflussen maßgeblich die Gewinnverteilung zwischen verbundenen Unternehmen und damit die steuerliche Belastung. Eine nicht fremdvergleichskonforme Preisgestaltung birgt erhebliche Risiken, wie Nachzahlungen und Strafzuschläge im Rahmen von Betriebsprüfungen. Der Fremdvergleichsgrundsatz (§ 1 AStG) sowie internationale Standards, wie die OECD-Richtlinien, fordern eine marktkonforme Preisgestaltung und eine nachvollziehbare Dokumentation. Präzise formulierte Verträge, die Leistungen, Preise und Zahlungsmodalitäten eindeutig regeln, sind unverzichtbar, um steuerliche Anforderungen zu erfüllen und potenzielle Streitigkeiten zu vermeiden.

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Zur Ermittlung angemessener Verrechnungspreise stehen Methoden wie die Preisvergleichsmethode, die Wiederverkaufspreismethode, die Kostenaufschlagsmethode oder die Gewinnaufteilungsmethode zur Verfügung. Ergänzend können Verfahren wie Advance Pricing Agreements (APA) mit den zuständigen Steuerbehörden frühzeitig Klarheit schaffen und Unsicherheiten minimieren. Angesichts der hohen Komplexität und strengen Dokumentationspflichten ist die Inanspruchnahme professioneller Beratung unerlässlich.
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